Rezension:Deutschlands wilde Wälder: Eine Liebeserklärung (Gebundene Ausgabe)

Dieser wunderbare Bildband mit beeindruckenden Fotos von Norbert Rosing und Texten von Monika Rößiger ist bei National Geographic erschienen, dem Gütesiegel für hervorragende Fotos, wie dieses Buch mal wieder beweist.

Gleich zu Beginn darf man auf einer Doppelseite einen alten Laubbaum im herbstlichen Kleid bewundern, bei dem mir spontan der Begriff "Irminsul" einfällt. Wir erinnern uns der Altsachsen, die auf diesem riesigen Baum einst lebten und sich Met-trinkend urgermanisch wohlfühlten.

Nach dem Vorwort von Oliver Salge, dem Leiter der Waldkampagne bei Greenpeace e. V., Deutschland hat man Gelegenheit mit Monika Rößiger einen Tag im Wald zu verbringen. Einen ganzen Tag im Wald habe ich mich noch nie aufgehalten. Den Sonntagsspaziergängen im Odenwald während meiner Kindheit, folgten Zeiten, in denen der Wald mir immer fremder wurde. Der Begriff deutscher Wald erfasste mich früh schon mit Entsetzen, ähnlich wie der Begriff deutscher Salat oder deutsche Erdbeeren. All diese Begriffe assoziierte ich mit mit Besserwisserei und Oberlehrertum. Früh schon begann ich die Pinien, den Rucola, die Zitronen und all das, was nicht Deutsch war, zu lieben, bis das Waldsterben begann und von Deutschlands wilden Wäldern plötzlich gesprochen wurde, die man lieben konnte, weil dort auf den Ästen zwar nicht mehr die Sachsen, aber die Eichhörnchen und andere Tiere ein vergnügtes Leben führen können, ohne vom rotbestrumpften, deutschen Wandersvolk aufgrund von laut geträllertem deutschen Liedgut entnervt zu werden. Wohl dem Wald ohne beschriftete Wanderwege für den deutschen Michel.

 All die wundervollen Aufnahmen im Buch, stets kurz erläutert, lassen mich sogar die Eichen lieben, die Kennzeichen der Landschaften Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns sind. Man erhält einen Eindruck von Stieleichen, die sofern sie sagenumwoben, zumeist zwischen 600 und 800 Jahre alt sind. Europaweit befindet sich die größte Ansammlung "1000 jähriger" Eichen im Ivenacker Tiergarten.

Sehr schön ist der Beitrag über die Linde von Heede, die als die größte Linde Europas gilt. Linden galten nicht selten als Symbole des Friedens. Das macht mir diesen Baum noch sympathischer. Dass die Fürstbischöfe von Münster unter der Linde von Heede Bankette abgehalten haben, verstehe ich gut und das Kinder die Königin des Weltalls in ihren Zweigen wahrnahmen, zeugt davon, welch eine die Fantasie anregende Kraft von einem alten Baum auszugehen vermag.

Zwischen den Bildern und Bildbeschreibungen liest man immer wieder Auszüge aus Gedichten namhafter Dichter, die sich in den Versen mit dem Wald befassen und kann sich später anhand einer kleinen Baumkunde im Hinblick auf typisch deutsche Waldbäume kundig machen. Ich mag die Linden, die Birken und Erlen am liebsten, wohingegen Tannen und Fichten nicht zu meinen Lieblingsbäumen zählen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig.

Begeistert von den Bildern, beispielsweise eines Luchses im Wildpark Neuhaus, lese ich später einen mehrseitigen, sehr informativen Beitrag über das Weltnaturerbe Buchenwälder. Das Aussehen der Buchenwälder variiert im Rhythmus der Jahreszeiten. Wie das konkret ausschaut, erfährt man in besagtem Text und kann sich dies sehr gut vorstellen. 7000 Tiere leben in einem Buchenwald, darunter viele Schmetterlinge. Man erfährt von den fünf Gebieten in Deutschland, wo es noch naturnahe Buchenwälder gibt. Es sind die Paradiese der bunten Schmetterlinge, den Sinnbildern jener Freiheit, die in Deutschland niemals so sehr geliebt wurde, wie in Frankreich. Das hängt hauptsächlich mit den deutschen Oberlehrern, den eigentlichen Feínden der Freiheit, zusammen.

Wunderschöne Fotos von Pilzen, von Waldblumen und Farnen, aber auch dicken Stämmen alter Bäume, vom Laub, von wilden Tieren begeistern den Betrachter und lassen ihn vielleicht ein wenig irritiert das Märchen vom "Brüderchen und Schwesterchen" lesen, das im Buch ebenfalls abgedruckt ist. So viele deutsche Märchen und Sagen spielen in den Wäldern. Gut das man auf "Brüderchen und Schwesterchen" zurück gegriffen hat. Vielleicht erlaubt der typische Deutsche sich nur im Dunkeln fantasievolle Gedanken, fast scheint es so.

Plötzlich entdecke ich Moorbirken. Wie schön sie doch sind! Sie wachsen im Hohen Venn in einer Landschaft, die an Feen denken lässt

Geboten wird im Buch zudem eine kleine Tierkunde. Die Nachtigall ist der unscheinbarste Vogel und doch singt er am schönsten. Mich fasziniert der Wanderfalke am meisten, vielleicht weil er mich an Friedrich II., den Staufer erinnert, ein Kosmopolit, der zum Thema deutscher Wald mit europäischem Gedankengut geantwortet hätte.. Sehr gut ist der Beitrag im Buch mit dem Titel "Die Deutschen und ihr Wald". Wieso war er immer wieder Sehnsuchts- und Rückzugsort? Wieso lieben die Deutschen die Einsamkeit so sehr?

Irgendwann lerne ich die "Hexenbuche" auf dem Himmeldunk kennen, ein schöner uralter Baum in der Bayerischen Rhön und dann entdecke ich einen Auerhahn, bevor ich mich in die kleine Pilz- und Beerenkunde vertiefe und darüber nachsinne, ob ich im Wald einen Steinpilz als solchen erkennen könnte.

Nach all den wunderbaren Bildern und eloquenten Texten habe ich mich von meinen Vorbehalten im Hinblick auf den deutschen Wald tatsächlich getrennt. Wilde Wälder haben etwas Verwunschenes und regen die Fantasie an, fasse ich zusammen. Speziell die Auenwälder, die mich am meisten ansprechen und bilde schließlich die Merksätze: Der deutsche Wald ist schön, wenn er wild ist. Wild kann er nur dann sein, sofern man ihn in Ruhe lässt. 

 Ein tolles Buch.

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