Dies ist der grandiose Bildband des Unterwasserfotografen Jean-Marie Ghislain, dessen Autobiografie "Schönheit besiegt Angst" ich heute Morgen auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert habe.
Jean-Marie Ghislain zeigt in seinem Fotoband die besten Bilder seiner Unterwasserexpeditionen, die hier in höchster Druckqualität reproduziert worden sind. Er verzichtet dabei auf künstliches Licht (sprich Blitz), weil dieses die Haie, die er im Fokus hat, nach seinen Erfahrungen verstört.
Dieser Fotograf nähert sich den Tieren als Liebender und lichtet sie nur ab, wenn er spürt, dass sie es auch zulassen. Weil er die Schutzbedürftigkeit der Haie, auf die er sich fotografisch spezialisiert hat, respektiert, gelingt es ihm, deren Schönheit und Verletzlichkeit für Dritte sichtbar zu machen.
Die Bilder für das Buch entstanden überall auf der Welt. Ghislain schreibt, dass sein Unvermögen über viele Jahre hinweg keine emotionalen Bindungen dauerhaft einzugehen, dazu beigetragen haben, den Unterwasserweg der Angstüberwindung zu entdecken. Der diesbezüglich ziemlich einsame Weg, machte es für den Fotografen erforderlich, ein Leben ohne den geringsten Halt zu führen. Auf diese Weise erkannte er, dass unsere "Existenz mit der übrigen Welt zusammenhängt“ und "wie eng wir mit so weit entfernten Kreaturen wie Haien verbunden sind".
Ghislain lässt den Leser wissen, dass uns Haie elementare Dinge beibringen können, so etwa, dass unser Ego in der grausamen Unterwasserwelt nicht von Bedeutung ist, auch dass das Einteilen von Energie entscheidend ist, wenn man überleben möchte, fernerhin, dass es Sinn macht, mitunter auf seinen eigenen Willen zu verzichten und stattdessen den Rückzug anzutreten.
Erlernbar ist unter Wasser auch, seine Ziele im Auge zu behalten, dabei möglichst entspannt zu bleiben, weil der mentale Zustand die Begegnung mit Haien beeinflusst. Sie spüren Stärke bei gleichzeitiger Zurückhaltung und greifen dann nicht an,
Ghislain erlernte die Wahrhaftigkeit, die unter Wasser herrscht, in seine zwischenmenschlichen Beziehungen zu transformieren, auch die Notwendigkeit, neue Beziehungen zur Natur zu entwickeln und hier speziell die Daseinsberechtigung und Intelligenz anderer Lebewesen anzuerkennen.
Der Taucher möchte mit seinen Fotos die Schönheit aber auch die Gewalt der Unterwasserwelt dokumentieren und beschäftigte sich eingehend mit der Angst. Er erkennt, erst wer sich mit ihren Ursachen befasst, kann die Angst Schritt für Schritt durch Vertrautheit ersetzen. Dabei ist es wichtig, Sicherheitsregeln niemals außer Acht zu lassen.
Was Ghislain antrieb, sich auf Haie einzulassen, war sein Kampf zwischen Lebens- und Todestrieb. Der Fotograf und Taucher suchte nach "Frieden, Harmonie, Glück, Wahrheit" und möglicherweise nach seinen "tierischen Anteilen oder etwas ganz anderem". Dazu benötigte er ein "echtes Schockerlebnis" um seine emotionalen Blockade zu lösen, damit er, wie er schreibt, einen großen Schritt in seiner Persönlichkeitsentwicklung nach vorne machen konnte.
Das Realisieren von Qualitätsbildern unter Wasser ohne künstliche Lichtquelle ist eine Herausforderung, auch die Lichtabsorption ab einer speziellen Tiefe ist es. Dies ist der Grund, weshalb sich Ghislain für Schwarz-Weiß-Bilder entschieden hat.
Die Protagonisten seiner Bilder sind Haie, die von ihrem Wesen her sehr unterschiedlich zu sein scheinen. Ghislain beeindruckt deren Intelligenz und Persönlichkeit, die sich durch die Fähigkeit dokumentieren, neue Elemente zu integrieren und ihr Verhalten entsprechend anzupassen.
Der Belgier war drei Jahre hindurch mit seinem Vorhaben weltweit beschäftigt und konnte sein Projekt nur deshalb erfolgreich abschließen, weil er sehr großen Wert auf Achtsamkeit legte.
Seine Reise hat ihm begreifbar gemacht, dass effizienter Artenschutz nur möglich ist, wenn die gesamte Nahrungskette mitsamt Lebensraum berücksichtigt wird.
Seine Aufgabe sieht der Weltenbummler darin, durch seine Arbeiten das öffentliche Bewusstsein für einen intakten Ozean zu stärken. Dies dürfte Jean-Marie Ghislain gelingen, sowohl durch seine Bilder als auch durch seine Lebensaufzeichnungen.
Die einzelnen Fotos in diesem Bildband werden auf den letzten Seiten des Buches sehr gut erläutert. Hier auch liest man den Satz: "Im kollektiven Unterbewusstsein ist es wohl die spitz zulaufende Rückenflosse an der Wasseroberfläche, die die in unserem tiefsten Innern verwurzelte Angst am besten repräsentiert."
Nicht zu fliehen ist angesagt, sondern die Flosse zu studieren und sie als Teil der Schöpfung zu begreifen, sich zurückzuziehen wenn nötig, aber nie seine Ziele auch den Augen zu verlieren...
Sehr empfehlenswert
Helga König
Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zur Sandmann--Edition und können das Buch bestellen.http://www.elisabeth-sandmann.de/892/beruehrende-schoenheit, Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler vor Ort ordern
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